Liebe Bundesregierung,

ist es nicht merkwürdig, dass 6 Wochen nach der Wahl immer noch nicht klar ist, wer denn jetzt eigentlich mein Ansprechpartner wäre, wenn ich mich an die Führung unseres Landes wenden wollen würde? Das gibt mir langsam zu denken. Ich verfolge die Koalitionsbemühungen nicht sonderlich akribisch, aber ich verfolge sie. Dennoch beschleicht mich ein Verdacht. Sie, liebe Frau Merkel, haben nicht genügend Stimmen bekommen, die aussagen, dass die Mehrheit der Bevölkerung gerne von Ihnen weiter regiert werden würde. Ihre Anhängsel haben sich selbst ein Eigentor geschossen, ein Bein gestellt, oder wie auch immer man es bezeichnen möchte. Auf jeden Fall haben sie sich selber abgesägt, indem sie die 5% Hürde nicht meistern konnten. Ihre Gesprächspartner, also die anderen Parteien, die zur Wahl standen, werden sich mit Ihnen anscheinend auch nicht wirklich einig.
Das, was mir auffällt bei dem, was über die Koalitionsverhandlungen nach außen dringt ist, dass Sie sich nicht einig werden, auf welchem Wege oder auf welchen Wegen Sie der Bevölkerung des Landes, welches Sie regieren möchten, noch das Geld aus der Tasche ziehen können. Ob es nun die Steuern hierfür oder die Abgaben dafür sind.
Ich will nicht in Abrede stellen, dass Sie bislang Ihren Job ernst genommen haben und sicherlich auch einiges zu Wege gebracht haben.
Dennoch wäre es vielleicht an der Zeit, dass Sie mal statt immer nur über den europäischen Tellerrand zu schauen, dort nachsehen, wo es nötig ist. Nämlich in Ihrem Land.
Wie kann es sein, dass sich der Otto-Normal-Verbraucher, also diejenigen, die jeden Tag für normale Löhne arbeiten gehen, spätestens Mitte des Monats fragen, wann der Monat endlich zu Ende ist, damit wieder Gehalt auf das Konto kommt? Große Sprünge sind sowieso nicht drin, aber ist Ihnen aufgefallen, dass es für Otto Normal inzwischen sogar fast zu teuer ist, von seinem Ableben Gebrauch zu machen, weil die Hinterbliebenen entweder auf eine “Sterbeversicherung” oder eine Finanzierung angewiesen sind, um einen würdigen Abschied zu bereiten?
So weit sind wir hier zum glück noch nicht, aber der Gedanke daran ist wirklich traurig.
Wenn ich mir Übertragungen oder Berichte aus dem Bundestag anschaue, dann frage ich mich, ob es nicht erstrebenswert wäre, dort einen Platz zu bekommen. Für gelangweiltes Rumsitzen und daraus Aufpassen, dass die Zeit umgeht, ohne dass ich Gefahr laufe, einzuschlafen, würde ich mich auch gerne gut bezahlen lassen. Oder ich nehme die andere Sichtweise. Es gibt auch ausreichend Mitglieder des Bundestages, die den Anschein erwecken, dass es zwischen “sich die Eier schaukeln” und sich gegenseitig bauchpinseln nicht viel zu tun gibt. In jeder Schulklasse würde der Lehrer bei so viel Desinteresse im Quadrat hopsen.

Komisch, ich weiche immer wieder von meinem ursprünglichen Gedanken ab.
Der eigentliche Gedanke war ja, dass ich mich frage, wie es sein kann, dass diejenigen, für die Sie als Bundeskanzlerin verantwortlich zeichnen, nämlich die Bevölkerung, die dieses Land am Leben erhalten soll, nicht mehr weiß, wie sie sich das Leben finanzieren soll.
Wenn ich mich umhöre und als Berufswunsch “Hartz IV Empfänger” höre, dann wird mir schon ganz anders. Ist es so erstrebenswert, dass Perspektivlosigkeit und Gleichgültigkeit das Lebensziel sind? Andere Berufswünsche sind “Profi-Sportler” oder “Promi” weil man dort hoffiert wird. Wie es scheint kann inzwischen jeder, der mal 5 Minuten Kameralicht genossen hat, in Deutschland zum “Promi” werden. Gut, daran haben Sie als Bundesregierung mal ausnahmsweise keine Schuld.

Ist Ihnen eigentlich inzwischen der Blick für die Realität in Ihrem Land so weit abhanden gekommen, dass Sie nicht sehen, dass Sie es gegen den Baum fahren? Wann haben Sie eigentlich das letzte Mal bewusst vor Augen geführt, wie wenig von dem, was jemand verdient, am Ende für denjenigen übrig bleibt? Und wie viel von dem in staatliche Taschen fließt?
Wenn ich für 100 € einkaufen gehe, dann bleiben 19 Euro für Sie. Von den 100 € bekomme ich aber nicht mehr viel in meinen Einkaufskorb. Wenn ich Statistiken lese, dass ja so vieles inzwischen deutlich günstiger geworden ist, dann könnte ich mich, wenn es nicht wirklich traurig wäre, vor Lachen wegschmeißen. Es ist schön, dass Technik, Möbel und vielleicht auch Flugreisen im Vergleich zu den letzten 10 Jahren deutlich günstiger geworden sind. Aber haben Sie schon mal versucht, ein Brötchen mit einem Smartphone zu belegen und davon satt zu werden? Auch ein Teppich eignet sich nicht dafür, eine Familie dauerhaft und ausgewogen zu ernähren. Es sei denn, ich verzichte auf die Neuanschaffung eines Staubsaugers (natürlich mit deutlich unter 1600 Watt, denn wer will schon den guten und vor allem teuren Strom verschwenden) und sammle mit konstanter Regelmäßigkeit die Krümel vom Teppich. Vielleicht lässt sich daraus eine Mahlzeit zaubern? Frei nach dem Motto: Bei uns kann man vom Boden essen, es liegt genug rum!
Ha, da wär ich ja gleich bei den Preisen für Grundnahrungsmittel. Frau Merkel, Sie als “DDR-Kind” wissen ja sicherlich noch, dass ein Brötchen 5 Pfennig gekostet hat und ein halbes Brot 50 Pfennig (okay, in Berlin waren es 55 Pfennig). Jetzt versuchen Sie mal bitte, für den Preis in Euro ein Brötchen zu bekommen. Selbst die günstigsten Backstation-Brötchen kosten inzwischen 15 Cent und beim Bäcker gute 4 Euro für ein Mischbrot hinzulegen, da überleg ich auch dreimal und nehme dann das für 1,89 von der Backstation. Oder versuche, selber zu backen.
Aber bevor ich an die 100 € komme, halten Sie ja auch schon ordentlich die Hand auf.
Oh, achja, den Einkauf möchte ich dann natürlich auch transportieren und verstauen. Zum transportieren benötigt man im Normalfall einen fahrbaren Untersatz, der mit sauteurem Bezin / Diesel betrieben wird.
Zum Verstauen bietet sich ein Kühlschrank in einer Wohnung an. Sofern man sich das eine oder das andere noch leisten kann, ohne sich zu verschulden.
Natürlich habe ich energieeffiziente Geräte und achte darauf, dass keine überflüssigen Lampen brennen, Geräte nicht unbedingt im Standby betrieben werden und die gute alte Wäscheleine ersetzt mir oft genug den stromfressenden Trockner. Doch trotz aller Sparmaßnahmen und immer weniger werdendem Verbrauch erhöht sich die monatliche Abschlagzahlung an den Stromliefereanten konstant. Zapft hier vielleicht die NSA mein Stromnetz an?
Mir würden noch viel mehr Dinge einfallen, die mir immer wieder sauer aufstoßen.
Zum Beispiel sind Buchpreise für Schulbücher der absolute Wahnsinn. Sollte Bildung nicht bezahlbar sein? Wenn ich schon am Jahresanfang beginnen muss, immer ein wenig auf die Seite zu legen, damit ich im SOmmer die Schulbücher für meine Kinder bezahlen kann, dann läuft hier aber etwas ganz dolle falsch.
Zum Thema Kinder fiele mir jetzt auch vieles ein.
Wann, liebe Bundesregierung, wart ihr eigentlich das letzte Mal mit offenen Augen dort unterwegs, wo die leben, die ihr regiert? Nicht blos auf zurechtgerückten Wahlveranstaltungen mit Händeschütteln und ausgewählten Personen.

Das musste jetzt mal sein 🙁

10 Kommentare zu “Liebe Bundesregierung,”
  1. SaboSchatz, ab in die Politik mit dir! und bitte, druck das aus und schick es Frau Merkel in ihren Kanzlerpalast.
    Guten Morgen ♥ danke für diese ehrlichen und tollen Worte.
    Knutschaaaaaaaaaaaaa :*

  2. Liebe Sandra,

    du hast mit Deinem Text den Nagel auf den Kopf getroffen. Ich denke diese Gedanken gehen so vielen Leuten durch den Kopf und das finde ich wirklich erschreckend.

    Liebe Grüße
    Nicole

    • Liebe Nicole,
      am erschreckendsten beim Schreiben fand ich wirklich den Fakt, dass es eine “Sterbeversicherung” gitb. Nichts ist so tödlich wie das Leben an sich, dass man sich da auch noch eine Versicherung abschließen sollte, damit wenigstens Sarg und Grabstelle gezahlt werden können ….

  3. OH Sabo, da sagst Du was, in der Politik läuft so einiges schief. Du sprichst mir mit diesem Beitrag aus der Seele. Ich frage mich fast täglich: was ist nur aus Deutschland geworden?! Du solltest das wirklich an Frau Merkel schicken.

    LG Soli

  4. Wow, ganz toller Blog! Du sprichst mir aus der Seele! Es kann echt nicht sein, was zur Zeit in Berlin abgeht…
    Was mir auch immer aufstößt, daß man privat vorsorgen soll und lt. Politik dafür auch genug Geld übrig bleibt beim Einzelnen… ja, wovon denn bitte, wenn der Monat zu lang für das verdiente Geld ist?! Wir können es nicht und die meisten unserer Freunde auch nicht. Und wir gehen alle arbeiten (mit abgeschlossener Berufsausbildung)…

    Mist, es ist schon fast Mitternacht und ich rege mich auf 🙁

    Wünsche Dir eine schöne neue Woche, nichtsdestrotz… und die Idee von Soli ist gut, versuch es mal an die Bundesregierung zu schicken :o)

    LG Katja

    • Liebe Katja,
      ich bin auch gespannt, wie sich das noch alles entwickelt. Ob wir nicht gleich am Monatsanfang pauschal eine Überweisung nach Berlin machen sollten? Oder vielleicht doch wieder Lebensmittelmarken eingeführt werden? Ich könnt manchmal nur noch k…
      Aber hilft alles nix, Zähne zusammen, Ärmel hoch und gucken, wie es weitergeht.

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